Geben, nehmen, teilen – gemeinsam sind wir stark

Bei der Verleihung des ersten Hessischen Inklusionspreises am 5. Mai in Frankfurt werden Bildungseinrichtungen, Projekte und Vereine geehrt, die sich besonders engagieren für das Miteinander von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Foto: Rolf Oeser/Frankfurter Rundschau

Locker, leidenschaftlich und lebensfroh ist die Stimmung im großen Saal des Dominikanerklosters. Premiere. Zum ersten Mal wird in Hessen der Inklusionspreis vom zivilgesellschaftlichen Bündnis, der „Gruppe InklusionsBeobachtung“, in drei Kategorien vergeben. Gekommen sind die, die es in die Runde der letzten neun geschafft haben. Gespannt warten alle darauf zu erfahren, welchen Platz sie belegen.

Dazu gehört auch die Wöhlerschule, als einziges hessisches Gymnasium. Die Inklusionsbeauftragten, Franziska Deliry und Ben Lange, haben sich mit dem von ihnen gegründeten „Gesprächskreis Inklusion“ beworben. „Er findet halbjährlich statt und versteht sich als Forum für einen multiperspektivischen Austausch rund um Inklusion. Ausgangs- und Zielpunkt aller Überlegungen sind hierbei natürlich die jeweils betroffenen Kinder und Jugendlichen und ihre jeweilige, konkrete Situation (frei nach dem Motto „Nichts über die ohne die“)“, heißt es in ihrer Bewerbung für den Preis.

Vorreiter Wöhlerschule – Inklusion im gymnasialen Umfeld

Seit 14 Jahren (!) koordinieren die beiden Lehrkräfte die inklusiven Prozesse an der Wöhlerschule. Setzen sich ein für die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die vor 14 Jahren (!) in Deutschland in Kraft trat. „In unserem Gesprächskreis vor Ort gestalten wir im fallbezogenen Austausch konkret und bedarfsorientiert Inklusion als Prozess“, erklärt Franziska Deliry die Arbeit an der Schule.
Dabei stoßen die beiden Initiatoren mit dem Gedanken der inklusiven Beschulung und seiner Umsetzung auch an Grenzen. „Im schulischen Alltag fehlt es oft an Kapazitäten und Ressourcen, vor allem an Zeit für Planungen und Absprachen“, erklärt Ben Lange. „Viele Lehrkräfte verfügen über Erfahrungen im inklusiven Feld, diese können leider wegen der engen Taktung des Schulalltags nicht ausreichend kommuniziert und wertgeschätzt werden“, ergänzt Franziska Deliry.

Bei aller Freude an diesem Nachmittag – lachende Kinder, lebhafter Austausch – mischen sich auch nachdenkliche Töne in die heitere Atmosphäre. Gabriele Naxina Wienstroer, die Vorsitzende des Landesbehindertenrats, weist darauf hin, dass noch immer an vielen Stellen im Alltag sichtbar sei, wie wenig selbstverständlich das Miteinander von Menschen mit unterschiedlichen Begabungen und Einschränkungen ist. Umso wertvoller erleben alle Beteiligten im Saal diesen würdigen Auftakt des Inklusionspreises.

Und dann ist es soweit. Kategorie Schule, Platz 3, goes to…: Wöhlerschule! Was für ein Erfolg! „Was für eine tolle Anerkennung!“, freuen sich die Lehrkräfte Deliry und Lange.
„Es wird gesehen, welche Werte wir leben. Demokratie braucht Inklusion. Ausgehend von diesem Gedanken verstehen wir unser Handeln im schulischen Kontext als ein politisches, das die Realitäten einer vielfältigen und offenen Gesellschaft widerspiegelt.“

Inklusion bereichert den Bildungsbereich

„Inklusion in der Schule verorten viele an Grundschulen, vielleicht auch an Gesamtschulen. Dass sie auch an Gymnasien erfolgreich gelebt werden kann, zeigt (…) dieses Beispiel“, sagt Thilo Hartmann, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen, in seiner Laudatio. „Dabei hat der Jury ganz besonders gefallen, dass nicht nur die Lehrkräfte, sondern auch Schüler:innen und Eltern gleichberechtigt einbezogen werden.“

Ein multiprofessionelles Team also, das sich auf Augenhöhe im „Gesprächskreis Inklusion“ der Wöhlerschule einsetzt, Schwerpunktthemen behandelt, bei Bedarf externe Berater einlädt und gemeinsam die eigenen inklusiven Prozesse voranbringt.

Stellvertretend für diesen preisgekrönten heterogenen Gesprächskreis nehmen gemeinsam mit den beiden Lehrkräften Deliry und Lange Federico Maugeri (Schüler der 10c), Michaela Winter (Teilhabeassistentin eines Sechstklässlers), mehrere Eltern, die Schulelternbeirats-Vorsitzende Susanne Rosenfeld und Schulleiterin Christa Eller den mit zusätzlich 200 Euro dotierten Preis aus Holz entgegen. Das dicke Stück Holz mit Gravur ist bewusst kein leichter Klotz. „Ein dickes Brett ist sie, die Inklusion“, sagt Christa Eller, Schulleiterin der Wöhlerschule, in ihrer Dankesrede. „Sie bringt die Herausforderung mit sich, Dinge umzusetzen und für alle zu gestalten. Wir bohren weiter an diesem dicken Brett.“

Inklusion beginnt im Kopf. Und sie ist, spätestens seit der UN-Konvention vor 14 Jahren, bestimmt in vielen Köpfen. Allein, oft fehlt das ‚Just do it‘. Die Wöhlerschule zeigt preiswürdig, wie es geht.

Susanne Haerth

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