Eva Szepesi hat für die Schülerinnen und Schüler in der Aula der Wöhlerschule eine klare Botschaft: „Ihr könnt nichts dafür, was damals passiert ist, aber für die Zukunft könnt Ihr viel tun, nicht schweigen, sondern Antisemitismus entgegentreten.“ Und dann fügt die 90 Jahre alte Auschwitz-Überlebende noch etwas hinzu: „Ich wünsche Euch eine glückliche Zukunft, dass Ihr so etwas Furchtbares nicht erleben müsst“. Als 12-Jährige wurde Eva Szepesi am 27. Januar 1945 von sowjetischen Soldaten befreit. „Sie lag zwischen den Toten in Auschwitz-Birkenau, als sich ein Soldat der Roten Armee über sie beugte und sie anlächelte“, erzählte Szepesis Tochter Anita Schwarz.

Lange hat Eva Szepesi nicht über diese schreckliche Zeit gesprochen, doch seit 1995 tritt sie in Schulen auf, klärt auf und berichtet von ihrem Überleben in der Zeit des Nationalsozialismus. Zum Holocaust-Gedenktag am Freitag, 27. Januar 2023, kam sie in die Wöhlerschule, wo auch ihre Tochter Anita vor 40 Jahren ihr Abitur gemacht hat.

Anlässlich des Gedenktages wurde in der Wöhlerschule eine Ausstellung mit Bildern des Frankfurter Fotografen Rafael Herlich eröffnet, die in den nächsten Wochen in der Schulbibliothek den Schülerinnen und Schülern, den Lehrkräften sowie den Eltern gezeigt wird. Zu sehen sind großformatige Fotografien von Holocaust-Überlebenden und ihren Kindern und Enkelkindern. Es ist das erste Mal, dass die Fotos von Familien aus der Jüdischen Gemeinde Frankfurt in einer Schule gezeigt werden.

Mitorganisiert und unterstützt wurde die Veranstaltung und die Schau in der Wöhlerschule von der Bundeskoordination der Unesco-Schulen in Deutschland, zu denen auch die Wöhlerschule gehört. Bundeskoordinator Klaus Schilling dankte den Wöhlerschülerinnen und -schülern für ihr Engagement. Er forderte sie auf, auch künftig mutig und mit Zivilcourage antisemitischen Sprüchen auf dem Schulhof oder in Chatgruppen entgegenzutreten.

Die Fotos der Ausstellung entstanden unter anderem bei fröhlichen Familienfesten, wie Hochzeiten oder Bar Mizwa-Feiern. Auch Eva Szepesi ist mit ihren beiden Töchter auf einem der Bilder zu sehen, genauso wie Benjamin Graumann, Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, der ebenfalls in die Aula der Wöhlerschule gekommen war. Die Fotografie zeigt ihn bei seiner Hochzeit mit seinen beiden Großeltern, beide Holocaust-Überlebende. „Solange unsere Kinder unter Polizeischutz in die Synagoge gehen müssen, sind wir weit von Normalität entfernt“, sagte Graumann. Er berichtete vom „Spagat“ des jüdischen Lebens heute: „Einerseits war jüdisches Leben in Deutschland nie so bunt wie jetzt, andererseits war es seit 1945 nie so bedroht wie jetzt – das ist der Zwiespalt.“ Er erinnerte daran, dass es im vergangenen Jahr so viele antisemitische Straftaten in Deutschland wie nie seit 1945 gegeben hat. „Die Lehre aus der Geschichte meiner Großeltern ist, dass wir wachsam sein müssen.“ Graumann erwähnte auch die documenta-Kunstausstellung in Kassel im vergangenen Jahr, bei der judenfeindliche Werke gezeigt wurden. „Das war staatlich geförderter Antisemitismus“.

Zu Beginn der Veranstaltung in der Aula hatte für die Schulleitung Geschichtslehrer Thomas Brüggemann über den historischen Hintergrund des Gedenktages informiert und die Lehrkräfte Dorothée Guillemarre und Paul Alke stellten die Arbeit der Spurensuche AG vor, die gerade die ersten beiden Folgen einer beeindruckenden Podcast-Serie über den jüdischen ehemaligen Wöhlerschüler und Auschwitz-Überlebenden Friedrich Schafranek fertiggestellt hat. Die Podcasts sind über die Wöhler-Website abrufbar. Zum Abschluss der Veranstaltung in der Aula stellten sich die Wöhlerschülerinnen und –schüler mit den Gästen zum Gruppenbild und hielten dabei den Schriftzug „#WeRemember“ hoch, eine Aktion, mit der weltweit zum 27. Januar unter anderem auf social media des Holocaust gedacht wird. (Rie)

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