„Ich will Menschlichkeit entfachen und Inklusion zur Wirklichkeit machen“, so leitete Herr Cieslik mit seiner Performance „All Inclusive“ den Mutmacher-Abend am Donnerstag, dem 13. November, in der Aula der Wöhlerschule ein. Im Vorhinein begrüßte auch die Schulleiterin Frau Benning das Publikum und hob die Bedeutung des Abends in einer kurzen Rede hervor. Bewegend, authentisch und sehr persönlich stellten die vier Gäste Marcel Friederich, Dr. Johanna Dahm, Sebastian Gleim und Gloria Traidl vor, wie sie Mut gefunden haben und ihre Mitmenschen inspirieren. Organisiert und moderiert von Frau Deliry, Inklusionsbeauftragte der Wöhlerschule, fand ein solcher MUTMACHER-Abend als Teil des Mutmacher-Projekts von Marcel Friederich zum ersten Mal an einem Gymnasium statt.

Der Abend begann mit einem Impulsvortrag Marcel Friederichs. Mitreißend erzählte er von seiner Geschichte und seinen Herausforderungen auf dem Weg zum Selbstbewusstsein. Geboren mit dem Möbius-Syndrom ist seine linke Gesichtshälfte gelähmt, wodurch er beispielsweise ein „schräges Lachen“ hat. Aufgrund dieser Besonderheit erfuhr er in der Kindheit und Jugend oft Mobbing und versuchte aus Scham nicht mehr zu lachen. Um diesem negativen Strudel zu entfliehen, wandte Marcel Friederich sich seiner Stärke und Leidenschaft, dem Sportjournalismus, zu. Im Laufe seiner Karriere war er erfolgreich tätig und erreichte mit Ehrgeiz immer neue Berufsstationen, darunter beispielweise Chefredakteur des Basketball‒Magazins BIG oder Leiter der externen Kommunikation der DFL Deutsche Fußball Liga.
Dass sein Streben nach beruflichem Erfolg jedoch rückblickend nicht gesund und eine Kompensation fehlender innerer Akzeptanz war, bemerkte er am 1.1.2020 nach mehreren positiven Umstellungen im Leben. Inspiriert davon, dass sein erster Social Media Post über das Möbius-Syndrom eine Welle an Aufmerksamkeit erregte, wollte er seine Stimme nutzen, um über das Thema zu informieren und ein Vorbild für andere zu sein. „Was mich einzigartig macht, mein schräges Ich und schräges Lachen als Superkraft zu verwenden“- dies war Marcel Friederichs Motivation, sein Buch „Mutmacher-Menschen“ zu schreiben und im Weiteren auch das Mutmacher-Projekt zu gründen. Stärke in dem Anderssein zu finden und diesen Mut an andere weiterzugeben, bewegen ihn. Um zu zeigen, dass es keine Schablone des einen Wegs gibt, umfasst sein Buch „Mutmacher-Menschen“ 11 ganz unterschiedliche Geschichten von Personen, die berichten, wie sie individuell trotz und wegen aller Herausforderungen Mut gefasst haben.

Anschließend an Marcel Friederichs spannenden Vortrag folgte eine von Frau Deliry moderierte Diskussionsrunde, in der ihre vier Gäste von zum Teil sehr persönlichen Erfahrungen berichteten und diskutierten, was es braucht, um ein Mutmacher-Mensch zu werden.

Gloria Traidl, eine Mutter, deren Sohn im Rollstuhl sitzt, betonte, dass niemand als Mutmacher-Mensch geboren sei. Man erreiche seine innere Stärke, indem man Entscheidungen trifft, bei denen man bewusst seinen Ängsten entgegentritt. Denn erst, wenn man selbst Mut fasst, könnte man diesen an andere weitergeben.

Auch Dr. Johanna Dahm ist ein Vorbild eines Mutmacher-Menschen. Durch ihre traumatische Vergangenheit, in der sie als Kind von ihrem Vater missbraucht worden ist, weiß sie aus eigener Erfahrung, wie schwer und lange der Prozess, Mut zu fassen, sein kann. Doch „Menschen, die mutig sind, haben sich dazu entschieden, immer wieder aufzustehen.“ Diese Entschlossenheit überträgt sie auch auf ihr Berufsleben. Als Entscheidungsexpertin berät sie Unternehmen dabei, bewusst Lösungen zu finden, um ihre Ziele zu verwirklichen.

Aus einer anderen persönlichen Perspektive stellte Sebastian Gleim dar, wie er seine Mitmenschen ermutigt. Als Basketball-Coach der „Frankfurt Skyliners“ verbringt er seinen Alltag damit, die Spieler zu motivieren und anzufeuern. Unter anderem hat er einen direkten Bezug zur Wöhlerschule, da früher das Basketballteam der Eintracht bis zur zweiten Liga hier in der Sporthalle spielte. Er betont, dass Sport eine wunderbare Möglichkeit sein könne, mehr Gemeinschaft und Inklusion zu schaffen. So bieten die Skyliners zahlreiche Jugendprojekte an, die Sport für alle zugänglich machen sollen. Wie bewegend Sport sein kann, zeigt für ihn das besonders in Erinnerung gebliebene Basketballspiel mit Kindern, die von Krebs betroffen sind.

Die Erfahrung, dass Sport einen besonderen Stellenwert haben kann, teilt auch Frau Dr. Dahm. Denn für Sie bot das Ballett, für das sie ein Tanz-Stipendium gewann, einen Ausweg aus dem Elternhaus. Doch ebenenfalls die negativen Folgen des Sports, eine starke Verletzung nach ständigem Übertraining, halfen ihr, zum Umdenken und innerer Reflexion zu gelangen.

Wie Sport das Leben komplett verändern kann, weiß vor allem Viko Merklein, der im Mai an unserer Schule im Rahmen der Podiumsdiskussion „Gewinnen wollen, verlieren können“ zu Gast war und an dem Abend als Zuschauer anwesend war. Für den Paralympics-Sieger im Handbiken sei Sport der Schlüssel zur Verarbeitung und der Ansporn sich feste Ziele zu setzten.

Im Anschluss stand die Frage im Mittelpunkt, was eine persönliche Quelle des Muts sein könne. Gloria Traidl betont, dass ihr Mut von Mitmenschen ihres engen Umfelds inspiriert wird. Besonders wichtig nach schweren Schicksalsschlägen sei es, nicht in der unendlichen Frage nach dem „Warum?“ zu versinken, sondern sich „stattdessen zu überlegen, wie man das Leben gestalten kann, um damit klarzukommen“. Frau Dr. Dahm teilt diese Ansicht: „Denn wer soll es schon machen, wenn nicht man selbst?“

Verantwortung für das Handeln zu übernehmen, geht über unser eigenes Leben hinaus. Nach dem erfolgreichen MUTMACHER-Abend können wir hoffentlich alle etwas mitnehmen, um selbst ein Mutmacher-Mensch zu werden. Dies kann schon bei kleinen Gesten der Fürsorge und Aufmerksamkeit für unsere Mitmenschen beginnen, wie ein freundliches Lächeln oder die aufrichtige Frage, wie es unserem Gegenüber geht. Doch besonders ein bisschen mehr Verständnis für Personen, die unserer Lebensrealität vielleicht fern scheinen, ist bedeutsam. Denn wie Frau Dr. Dahm es ausgedrückt hat: „Wir müssen Eintreten füreinander, auch wenn es unangenehm ist“.

Text: Emilia Demiröz

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